Löcher in der Routine des Alltags

Vor ein paar Tagen war ich unterwegs zu einer Klientin, danach fuhr ich zum Kurs nach Bechtolsheim. Es war ein sehr schöner Tag. Ab 08:39 Uhr kam eine Teilnehmer-Absage nach der anderen per Mail herein. Kurz vor Kursbeginn um 10:30 Uhr war ich mir schon ziemlich sicher, dass ich ohne Teilnehmerinnen dasitzen würde, aber da ich ja nie 100%ig weiß, wer auftaucht…

Ich warte ein paar Minuten im schönen Tanzsaal. Keiner kommt. Was tue ich nun? Ich könnte mich ärgern, dass ich umsonst nach Bechtolsheim gefahren bin. Ich könnte in Depressionen versinken, dass mein Kurs unbesucht ist. Ich könnte an mir selbst zweifeln, ob mein Unterrichten alle verschreckt hat. Doch tatsächlich… bin ich froh, unvermutet, ungeplant ein wenig Zeit für mich zu haben.

Eine Pause im Alltag.

Mir wird klar, dass ich mir gerade sowieso Zeit gewünscht habe, in der ich einfach mal sein und meinen Gedanken nachhängen kann. Zeit und Raum, dass aus dem ganzen Eindrücken, die ich aufnehme und die auf mich einstürmen, Sinn entstehen kann. Dass sich Dinge, Gedanken, Ideen zusammenfinden und fügen können, dass sich etwas weiterentwickeln kann.

Mir ist bewusst geworden, wie wichtig die Pausen in unserem Alltagsmuster sind, das Innehalten und Spüren. Vielleicht gerade, wenn wir am heftigsten in Bewegung sind. Meine Tendenz ist, in der Hektik noch hektischer zu werden. Wenn mein ganzes Selbst schon „voll“ ist, es durch anderen, aber noch mehr Input weiter zu füllen wie Podcast hören, eine Serie schauen, ziellos im Internet surfen. Wie ist das bei Dir?

Was wäre, wenn ich stattdessen einfach mal innehielte.

Löcher in die Luft oder im Liegen an die Decke starre, in Ruhe spazieren gehe oder, wie mein schlauer Mann, ab und zu mal in der Badewanne liege und ausruhe? Was würde dann passieren? Wahrscheinlich würde ich Gefühle spüren, die ich nicht so gerne spüre, über Sachen nachdenken, die ich lieber verdrängen würde, ich würde entdecken, was mich innerlich unruhig macht, was ich im Griff zu behalten versuche.

Als ich mich vor Kurzem mit einem Freund unterhielt, der gelernt hat, mit einer Sucht zu leben, ohne ihr ausgeliefert zu sein, stießen wir auf ein spannendes Phänomen. Wir stellten fest, dass wir Menschen wohl dazu neigen, umso mehr Kontrolle in unserem Verhalten haben zu wollen, je chaotischer es in uns aussieht. Macht ja irgendwie Sinn. Ich hänge an der Kontrolle der Dinge, die ich kontrollieren kann, halte daran fest, weil mir alles andere entgleitet und Angst macht.

Was versuche ich also zu kontrollieren, um das Chaos in Schach zu halten? Und wie unterscheidet sich davon die Kontrolle, die ich brauche, um fähig zu sein, genau das zu tun, was ich tun will? Und wie kann ich das eine in das andere verwandeln?

„Lernen ist Üben ohne Wiederholung“
(Nikolai Bernstein zugeschrieben)

Wie kann ich mich in einem sicheren Rahmen dem aussetzen, was ich sonst vermeide? Die Kontrolle verliere ich zum Beispiel, wenn ich das Gleichgewicht verliere – macht mir das Angst? Die Kontrolle könnte ich auch verlieren, wenn ich mich zu tief entspanne (vielleicht schlafe ich aber auch nur ein, eine andere Form des Kontrollverlusts ?). Es kann sich auch nach Kontrollverlust anfühlen, aufzugeben, das Richtige tun zu wollen. Wie fühlst Du Dich, wenn Du absichtlich etwas „falsch“ oder schlampig machst?

Im September werden wir in den Kursstunden diese Dinge und noch mehr ausprobieren, auf spielerische Weise natürlich, und herausfinden, wie wir die Kontrolle haben können ohne die Angst vor Kontrollverlust. Wie wir den Überblick behalten können, auch, wenn wir unsicher sind. Wer nicht im Kurs dabei sein kann, kann sich für den Samstag-Workshop am 02.10.21 anmelden. (Mehr Infos dazu)

Letzten Dienstag habe ich übrigens meine geschenkte Zeit genutzt, um ein wenig mit freundlichen Menschen zu plaudern und dann einen Spaziergang im Grünen zu machen und einfach mal durchzuatmen.

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